2008-Zweiter Mediengipfel in Lech am Arlberg beleuchtet Übergänge und Wandel in Österreich
Vergangenes Wochenende tagten in Österreich stationierte Auslandskorrespondenten internationaler Medien in Lech am Arlberg.
Lech am Arlberg . Der Wandel Österreichs in Zeiten der Finanzkrise und der neuen Regierung stand im Mittelpunkt. Ein Thema, das zu Lech passt, denn gerade der Arlberg steht seit jeher für „Übergänge“ der besonderen Art.
Ebenfalls passend zu Lech begann der Mediengipfel der Auslandskorrespondenten auch mit einem touristischen Thema. Eine hochkarätige Expertenrunde diskutierte am Eröffnungsabend des Mediengipfels über die Auswirkungen der aktuellen Finanzkrise auf den Tourismus. Erste Rückgänge bei Buchungen seien zwar bereits zu erkennen, dennoch blicke man mit Optimismus in die Zukunft, so der Tenor der Diskussion.
Elisabeth Gürtler, Chefin des renommierten Hotel Sacher in Wien, analysierte die unterschiedlichen Auswirkungen der Krise. Kunden würden derzeit eher bei Billigflugangeboten und Städtetrips sparen, der klassische Ferientourismus wäre derzeit noch nicht so stark betroffen. „Das Bedürfnis nach Erholung“, so Gürtler, „bleibt auch angesichts großer Verunsicherungen aufrecht.“ Dennoch müsse die Branche mit erheblichen Buchungsrückgängen rechnen, jeder Hotelier überlege sich daher notwendige Investitionen mehr als zweimal. Auch Gerhard Walter, Tourismusdirektor von Lech-Zürs, ortet derzeit noch keine negativen Vorzeichen für die bevorstehende Wintersaison: „Nach Rekorden im vergangenen Winter und Sommer ist das Buchungsaufkommen in etwa auf Vorjahresniveau.“
Die Nagelprobe für den österreichischen Tourismus komme aber erst mit der Sommersaison 2009, erst dann könne man die Auswirkungen tatsächlich einschätzen. Auf die Möglichkeit von antizyklischem Kundenverhalten wies Andreas Braun, Chef der Swarovski Kristallwelten, hin. Gerade in Krisenzeiten würden viele Kunden auch auf Luxuskonsum nicht verzichten wollen. Dennoch so Braun, dürfe man die nachhaltige Verunsicherungen in weiten Bevölkerungskreisen nicht unterschätzen. „Wenn die wirtschaftliche Sicherheit gefährdet ist, dann produziert das rational Nachvollziehbare viele irrationale Ängste.“
Die neue Regierung und Österreichs EU-Skepsis
Am Freitagabend erreichte die 2. Auflage des Mediengipfels am Arlberg im wahrsten Sinne seinen Höhepunkt. Am Rüfikopf hoch über Lech beleuchtet eine hochkarätige Journalistenrunde vor dem Hintergrund der Wirtschaftskrise und Regierungsbildung die aktuellen Herausforderungen in Österreich und Europa.
Unter der Leitung von Susanne Glass, Österreich- und Südosteuropa-Korrespondentin der ARD und zudem Präsidentin der Auslandspresse mit Sitz in Wien, diskutierten Charles Ritterband (NZZ – Neue Zürcher Zeitung), Michaela Seiser (FAZ – Frankfurter Allgemeine Zeitung), Jean-Michel Stoullig (AFP – Agence France Press), Detlef Kleinert (Bayernkurier) sowie Gregor Mayer (freier Journalist für dpa – Deutsche Presse Agentur und das österreichische Nachrichtenmagazin profil) und Thomas Mayer (Der Standard).
Österreichs ausgeprägte EU-Skepsis
Kurz vor der offiziellen Angelobung der neuen österreichischen Regierung wagte die prominente Journalistenrunde einen kritischen Blick hinter die Kulissen europäischer und heimischer Politik. Einig zeigte man sich dabei in der Analyse der ausgeprägten EU-Skepsis, die in Österreich herrsche. Thomas Mayer wies in diesem Zusammenhang auf die Diskrepanz hin, wonach heimische Eliten zwar permanent die Vorzüge Europas – gerade in Krisenzeiten – betonen würden, breite Schichten der Bevölkerung hingegen der gemeinsamen europäischen Idee gegenüber skeptisch blieben. Man sollte auch darüber nachdenken, wer durch seine destruktive Art für diese Stimmung verantwortlich sei. Die Medien hätten hier eine Mitverantwortung. Das Motto „…zurück zum Schilling“ wäre absurd, betonte Seiser, die in diesem Zusammenhang auf wirtschaftlich schwierige Situation in Ungarn und die aktuellen Währungsspekulationen verwies. „Die ausgeprägte Skepsis sei kurios, wenn man weiß wie sehr Österreich von der EU -insbesondere auch von der Erweiterungsrunde – profitiert hat.“
Gregor Mayr stellte klar, dass gerade im Zusammenhang mit Ungarn das Schutzschild der EU gegriffen habe und so der Kollaps verhindert werden konnte. Launig beleuchtet er auch die österreichische Seele und die EU-Aversion. „Daheim ist daheim – so laute in Österreich immer öfter das Motto. Ein undiszipliniertes Raunzen ist in Mode gekommen.“ Aus dem französischen Blickwinkel beleuchtete Stoullig Österreich und merkte an, dass man Österreich in Summe eher über Klischees als Tourismusland mit Musik, aber auch mit einem politischen Extremismus wahrnehme. In der Schweiz wiederum, so meinte Ritterband, würde man den Umgang mit Österreich innerhalb der EU sehr genau beobachten, daraus leite man ab, wie die europäische Union mit Kleinstaaten umgehe. „Daher wurde auch der Umgang mit Österreich anlässlich der Sanktionen so kritisch reflektiert.“
Wie lange hält die Regierung in Österreich?
Michaela Seiser zeigte sich indes vorsichtig optimistisch über die Haltbarkeit der neuen österreichischen Regierung. Schlussendlich werde man aber an großen Reformvorhaben, die dringend notwendig wären, scheitern. Ähnlich argumentierte Ritterband, der seiner Überzeugung Ausdruck verließ, dass keine Projekte aufgegriffen würden, die zum Bruch der Koalition führen könnten. „Diese Regierung ist eine Regierung der Kompromisse, eine laue Regierung, die zäh aber auch beharrlich an ihrem eigenen Überleben arbeiten wird.“ Und Thomas Mayr betonte, dass in seinen Augen die große Koalition in den 1990er Jahren eine große Kraftanstrengung unternommen habe, um zentrale Weichenstellungen – auch und gerade Richtung Europa – zu realisieren. „Derzeit haben wir sowohl eine Krise der Regierungsparteien, als auch der Opposition.“ Gerade in Zeiten der Wirtschaftskrise wollen die Menschen eine „beruhigende Regierung“. Mayer abschließend trocken:
„Ich würde mich persönlich fürchten, wenn wir bald wieder wählen müssten!“
Lech war ein perfekter Gastgeber
Rund um den Saisonstart in Lech und Zürs hat sich der Arlberg auch bei der zweiten Auflage des Mediengipfels als perfekter Gastgeber präsentiert. „Wir freuen uns sehr, dass hochkarätige Journalisten unserer Einladung folgen, hier am Arlberg – am Übergang zwischen Vorarlberg und Tirol – das österreichische Geschehen sozusagen aus der Vogelperspektive zu betrachten“, fasst es Gerhard Walter, Tourismusdirektor von Lech und Zürs, zusammen. Gemeinsam mit dem Ideengeber pro.media kommunikation und dem Verband der Auslandspresse in Österreich feilt man bereits an spannenden Ideen für eine dritte Auflage dieses hochkarätigen Treffens.