Europäischer Mediengipfel: Von Populismus über die Zerrissenheit in der EU


Europäischer Mediengipfel: Von Populismus über die Zerrissenheit in der EU

Europäischer Mediengipfel: Von Populismus über die Zerrissenheit in der EU bis zu Persönlichkeitsrechten in der digitalen Welt. Der Freitagabend widmete sich im „arlberg1800“ in St. Christoph dem Thema Populismus, Extremismus und Radikalismus.

Lech am Arlberg – Ortswechsel beim Mediengipfel: In St. Christoph im „arlberg1800“ wurde die einleitende Keynote von Ulrike Guérot und die anschließende Podiumsdiskussion dem Thema Populismus, Extremismus und Radikalismus gewidmet. Anschließend hielt Franz Fischler eine Rede zur Zerrissenheit in Österreich und in der EU. Florian Klenk führte ein Gespräch mit der Medienanwältin Maria Windhager über Ehre und Hass in einer digitalen Welt. Der Samstagvormittag wurde – wieder zurück im Hotel Post in Lech – mit einer Live-Aufzeichnung des beliebten ZEIT Podcasts „Servus. Grüezi. Hallo.“ gestartet. Den Abschluss bildete die Podiumsdiskussion des Internationalen Presseclubs mit der Frage, ob es denn Journalismus überhaupt noch brauche.

Zu Beginn des Abends konstatierte Ulrike Guérot (Leiterin des Departments für Europapolitik und Demokratieforschung an der Donau-Universität Krems), dass „Politik immer das Ringen um eine bessere Gesellschaft“ sei. Populismus wäre der Streit um Deutungshoheiten. In der anschließenden Diskussion – moderiert von der ARD-Studioleiterin in Israel Susanne Glass – definierte Peter Neumann (Professor für Sicherheitsstudien am King’s College London) den Populismus als „eine Art von politischer Auseinandersetzung“ zwischen der Elite und dem Volk. Der Populist glaube, dass er den Interessen des Volkes nachgehe, obwohl dies nicht der Fall sei. Christina Hainzl (Leiterin Research Lab Democracy and Society in Transition) untersuchte den sprachlichen Aspekt von Populismus und bezeichnete ihn als „eine Form von Manipulation mittels Sprache und Bildern“. Nach der Aussage von Paul Ronzheimer (stellvertretender Chefredakteur der BILD) müsse der Populismus nicht „de facto böse“ oder schlecht sein. Politiker sollten die Sachverhalte klar darstellen, damit Aufmerksamkeit lukriert werde. Ansonsten nähmen die Populisten diese Aufgabe wahr. „Ich bin für Populismus für den Populo“, so bringt Ulrike Guérot ihre Ansicht auf den Punkt. Zum Abschluss der Diskussion stellte Glass die Frage, ob die Demokratie am Ende sei. Daraufhin antwortete Guérot: „Die Chancen, dass die Demokratie, wie wir sie kannten, in den nächsten zehn Jahren so besteht, sind nicht sehr hoch.“

Den Einstieg in den zweiten Teil des Abends machte Franz Fischler mit seiner Rede unter dem Titel „In Österreich ist der Zerrissene eine Posse. In der EU ist Zerrissenheit ihr Ende“. Er ging auf verschiedene Aspekte der Zersplitterung innerhalb der EU ein. „In Europa sind nicht alle vor dem Gesetz gleich – in den Mitgliedsstaaten gibt es unterschiedliche Altersgrenzen, um wählen zu können. Außerdem wird in jedem Mitgliedsstaat nach anderem Wahlrecht gewählt“, so Fischler.

„Ich wollte immer Journalistin werden, dann wurde mir das aber irgendwie zu blöd“, mit diesem Zitat von ihr stellte Florian Klenk (Chefredakteur vom Falter) zum Abschluss des Abends seine Gesprächspartnerin, Medienanwältin Maria Windhager, vor. Dabei wurde über den Hass in den sozialen Medien gesprochen „Hass ist keine Meinung“, so Windhager. Hass im Internet zu verbreiten, habe nichts mit Meinungsfreiheit zu tun. Hass in den sozialen Medien habe außerdem zugenommen. Gegen Fake News im sozialen Netzwerk habe man als Normalbürger fast keine Chance. Für Maria Windhager ist aber klar, dass den Fake News trotzdem juristisch nachgegangen werden muss. Jedem sollte bewusst sein, dass Gesetze auch in sozialen Medien gelten denn, „jeder Bürger ist Medienherausgeber nach dem Mediengesetz und haftet voll für das, was er verbreitet“.

Mit dem Live Politikpodcast „Servus. Grüezi. Hallo.“ der ZEIT wurde der Samstagmorgen eröffnet. Dabei waren Matthias Daum (Büroleiter im Ressort Schweiz-Seiten, DIE ZEIT), Florian Gasser (Redakteur im Ressort Österreich-Seiten, DIE ZEIT) und Lenz Jacobsen (Ressortleiter Politik, Wirtschaft und Gesellschaft, ZEIT ONLINE) im Gespräch mit der NEOS Abgeordneten im Europäischen Parlament der Claudia Gamon.

Anzuhören ist der Podcast hier

Den Abschluss des 13. Europäischen Mediengipfels in Lech am Arlberg bildete der Internationale Presseclub mit dem Thema „Braucht es noch Journalismus? – Medien zwischen Information und Manipulation“ unter der Moderation von Markus Spillmann (Schweizer Journalist, Medienmanager und Unternehmer). Ivo Mijnssen (NZZ Korrespondent in Wien) sprach dabei von einer Medienkrise, „in der Agenturmeldungen immer größere Macht haben“ und sprach im Vergleich zwischen Österreich und der Schweiz von „Strukturen der Finanzierung der Medien in Österreich, die ganz andere Abhängigkeiten als in der Schweiz schaffen“. Valerie Zaslawski (Schweizer Politologin und freie Journalistin in Berlin) verglich die schweizerischen mit den deutschen Journalisten und stellte fest, dass „die Deutschen ein größeres Selbstbewusstsein haben, aber dennoch in der politisch korrekten Sprache und bei den Inhalten vorsichtiger sind“. In Bezug auf neuere Entwicklungen im Bereich der Medien kritisierte Zaslawski, dass es nicht die Aufgabe von Journalisten sei, neue Finanzierungsquellen zu finden und Reichweite zu erzielen – das wäre die Aufgabe von Medienmanagern. „Journalisten sollen sich mit Formaten und Inhalten befassen.“ Tanit Koch (Geschäftsführerin n-tv) findet allerdings: „Es gibt nichts Transparenteres als eine Kampagne. In Deutschland wird der Kampagnenjournalismus als ganz normal betrachtet – zum Beispiel zu Themen wie dem Umweltschutz. Eine Kampagne kann man einem Medium auch nicht vorwerfen, wenn sie klar kommuniziert wird.“ Die Frage, ob es den Journalismus denn noch braucht, beantwortete zum Schluss Michael Linhart (österreichischer Botschafter in Paris) mit einem klaren „Ja“. „Man muss für Menschen und nicht für ein Klientel berichten. Dabei ist es wichtig, mit der Zeit zu gehen, und auch neue Medien aufzugreifen“, resümierte Linhart.

Der 14. Europäische Mediengipfel Lech am Arlberg findet von 3. – 5. Dezember 2020 statt.

Mehr Fotos von Freitagabend finden Sie HIER
Fotos von Samstagvormittag (Podcast & Presseclub) finden Sie HIER

Über den Europäischen Mediengipfel Lech am Arlberg

Seit dem Gründungsjahr 2007 bildet der Europäische Mediengipfel in Lech am Arlberg einen außergewöhnlichen Rahmen für Diskussionen, in denen ungefilterte Einblicke und fundierte Ausblicke in die anhaltend turbulente Welt der Medien, die europäische Politik und die wirtschaftlichen wie gesellschaftspolitischen Zusammenhänge der europäischen Lebensrealität geboten werden. Der unter der Schirmherrschaft des österreichischen Außenministeriums stehende Europäische Mediengipfel – von der Kommunikationsagentur ProMedia Kommunikation initiiert und seither federführend mit Lech Zürs Tourismus GmbH und dem Verband der Auslandspresse in Wien organisiert – wird von der Gemeinde Lech und den Ländern Vorarlberg und Tirol, dem Europäischen Parlament unter Vizepräsident Othmar Karas, dem Presseclub Concordia, dem Verband der Auslandspresse Berlin sowie von der D. Swarovski Tourism Services GmbH, von Casinos Austria und BMW unterstützt. Weitere Partner sind die Tirol Werbung, die BTV – Bank für Tirol und Vorarlberg sowie Die ZEIT. Die Medienakademie wird unterstützt von APA – Austria Presse Agentur, dem Europäischen Parlament, Moser Holding GmbH und Russ Media. Als Medienpartner der Veranstaltung fungieren APA – Austria Presse Agentur, Der Standard, Handelsblatt, Tiroler Tageszeitung sowie Vorarlberger Nachrichten.

Weitere Bilder in der APA-Fotogalerie hier

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